Rückblick: Vernetzungstreffen Stuttgart 2018

Am 5. Mai trafen sich Aktive aus 22 Reparatur-Initiativen (bzw. zu gründenden Initiativen) in Stuttgart zur regionalen Vernetzung. Am Vormittag standen neben der Vorstellungsrunde noch kurze Impulsreferate auf dem Programm: Dominik vom gastgebenden Repair Café Stuttgart berichtete über die Entstehung und Organisation des Repair Cafés und des Vereins Werkstadt Stuttgart e.V., die erfolgreiche Kooperation mit der lokalen Foodsharing-Initiative (Das Café-Buffet während der Reparaturveranstaltung stammt immer aus geretteten Lebensmitteln.) sowie über bereits stattgefundene oder geplante Sonderaktionen (Reparaturaktion im Einkaufszentrum, im Rahmen eines Theaterstücks und in Planung in einer zu restaurierenden Kirche). Danach stellte Martin, selbst Reparaturhelfer*in beim Repair-Café Stuttgart und mittlerweile auch Gründer der offenen Werkstatt Hobbyhimmel dar, warum offene Werkstätten großartige Einrichtungen sind und weshalb sie einen optimalen Rahmen auch für Reparatur-Cafés bieten (Raum, Wissen und Werkzeuge vorhanden, Verbrauchsmaterialien auf Lager, gemeinsames Nutzen statt Neukaufen). Zuletzt berichtete noch Franz vom Werkstadt Stuttgart e.V. über Normierungsprozessen zum Thema Ökodesign, die seit 2015 auf politischen Wunsch hin in deutschen und europäischen Gremien verhandelt werden und sich mit Kriterien der Reparierbarkeit befassen. Bis es letztlich zu sichtbaren Neuerungen für die Konsument*innen kommen wird, dürften noch einige Jahre ins Land ziehen, aber die Kriterien für eine Mess- und Vergleichbarkeit zur Standardisierung von Kriterien zur Reparierbarkeit werden nun gelegt und das auf europaweiter Ebene. Üblich ist so ein Vorgehen aus politischem Interesse nicht – normalerweise werden Normen aufgestellt, wenn erst einmal Produkte hergestellt werden und dann die Produzenten selbst aktiv werden, um für Vereinheitlichung zu sorgen.

 

Eine Reparatur-Initiative starten, Wissen teilen und die Grenzen des Machbaren

Nach der Pause fanden zunächst drei parallel ablaufende Austauschrunden statt.

iFixit stellte seine Pläne und den derzeitigen Status Quo des Reparaturanleitungsarchivs vor, um dann mit den Teilnehmenden der Runde zu überlegen, wie es von den Initiativen zur Eintragung genutzt werden kann. Natürlich ist iFixit ein kommerziell agierendes Unternehmen, hat aber das Ziel, generell Reparaturen zu ermöglichen, um damit die Umweltbelastungen zu reduzieren – denn der Verbrauch an natürlichen Ressourcen findet vor dem Kauf im Rahmen der Produktion statt und nicht maßgeblich durch den Konsumenten durch Aufladen, Tanken etc.  Auch an der Schnittstelle von Wissen dokumentieren, teilen und verbessern treffen sich die Interessen von iFixit und den Reparatur-Initiativen – auch wenn die unüberschaubare Marken- und Gerätevielfalt auf dem  Markt eine große Hürde darstellt, überhaupt eine systematisierte Sammlung zu starten. Da das Reparieren immer mehr in den Hintergrund des Bewusstseins tritt, ist es umso wichtiger, das Thema hochzuhalten und Synergien zu nutzen. Derzeit sind auf der iFixit-Plattform rund 40.000 Anleitungen für 11.000 Geräte eingetragen, Tendenz steigend – denn die Community ist aufgerufen, weitere Anleitungen zu erstellen und der Open-Source-basierten Sammlung hinzuzufügen: JedeR mit Internetzugang kann also lesen, ändern, beitragen etc., über das XML Format kann man Anleitungen im- und exportieren. Hier findet ihr Informationen und Hilfestellung zur Erstellung neuer Anleitungen:

 

Initiativen könnten die Plattform mit individuellen Accounts oder auch einem Team-Account nutzen und neben öffentlichen Anleitungen auch nur für das Team sichtbare Inhalte erstellen. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, Anleitungen oder Tipps auf der Plattform einzutragen und abzubilden sowie formale Kriterien zur Aufbereitung einer Anleitung. (Diese werden vor Freigabe redaktionell geprüft.) Wir bleiben mit iFixit zu dem Thema im Austausch und informieren euch über weitere Überlegungen.

 

Eine zweite Runde richtete sich an neue Projekte, die in den Startlöchern stehen oder die ersten Veranstaltungen hinter sich haben. Ulrich vom Reparatur-Café Ostfildern berichtete zum Einstieg von den Erfahrungen dort vor Ort: Die Kooperation mit der Gemeinde ist sehr gewinnbringend, ein Raum wird kostenlos zur Verfügung gestellt, auch Druckanliegen übernimmt die Gemeinde und durch einen kommunalen Juristen konnten die rechtlichen Hintergründe geklärt werden. Ulrich gab die Anregung weiter, zunächst ein Orgateam zu suchen, bevor man Reparaturhelfer*in*innen rekrutiert, um auch die Orgaarbeit auf mehrere Schultern zu verteilen. Vor allem am Veranstaltungstag ist es dann sehr hilfreich, wenn mindestens eine Person durchgehend ansprechbar ist und nicht mitrepariert, sondern überall einspringen kann mit helfenden Händen, wo gerade Not am Mann/an der Frau herrscht. Auch durch kommunale Kooperationen sind Versicherungsfragen (Unfall, Haftpflicht, spezielle Ehrenamtsversicherungen) oft unkompliziert zu lösen – hier aber genau nachfragen, ob die Tätigkeiten des gemeinsamen Reparierens abgedeckt sind.
Ostfildern entschloss sich, keinen eigenen Verein zu gründen um den bürokratischen Aufwand gering zu halten, Ellwangen hat dagegen bewusst die Vereinsgründung auf sich genommen, um unabhängig von einer Trägerinstitution agieren zu können. Es gibt keine Faustregel oder Vorgabe, dass eine Vereinsgründung notwendig ist – hier gilt es, die Situation vor Ort zu betrachten und Vor- und Nachteile abzuwägen.
Falls ortsansässige Reparaturbetriebe im Repair-Café eine Konkurrenz wittern, am besten schon vorab den Austausch suchen und erklären, dass es sich um ein Selbsthilfekonzept handelt und welche Arten von Reparaturen dort überhaupt durchgeführt werden. Manchmal lassen sich auch Kooperationen mit den Dienstleistern schmieden, indem man bspw. Gäste mit Ersatzteilbedarf zu ihnen schickt. Bleibt ein Misstrauen trotz aller Erklärungen, ist Kompromissbereitschaft hilfreich und die Initiative verzichtet bspw. auf ein spezielles Reparaturangebot in dem Bereich, in dem auch der Dienstleister tätig ist.
Gemeinsam wurden noch weitere Ideen gesammelt, auf welchen Wegen ReparateurInnen gefunden werden können: Man kann an Firmen in der Region herantreten und sie bitten, ihre ehemaligen MitarbeiterInnen über das Angebot zu informieren. Im privaten Umfeld lohnt es sich oft, an  berentete Frauen heranzutreten, die wiederum ihre Ehemänner zum Mitmachen motivieren können. Kommen spontan am Mitmachen Interessierte zur Reparaturveranstaltung, ist es gut, wenn jemand während der Veranstaltung diese Menschen willkommen heißen und ein wenig Betreuung leisten kann. Gleiches ist auch sinnvoll, um Reparaturhelfer*in*innen mit unterschiedlichen Kenntnissen und Expertise zu betreuen, um jedem Wertschätzung entgegenzubringen und darauf zu achten, dass alle mit Freude bei der Sache sein können, aber auch um den Dialog mit erfahreneren HelferInnen herzustellen, so dass Austausch und gemeinsames Lernen möglich wird.

 

Der dritte Austauschworkshop befasste sich mit der Frage: „Wo sind die Grenzen des Machbaren?“ und beantwortete diese hinsichtlich verschiedener Aspekte einer Reparatur-Initiative. So begrenzen natürlich die zur Verfügung stehende Zeit und die Zahl der BesucherInnen gewisse aufwändige Reparaturen, die viel Zeit beanspruchen. Wenn dann noch der voraussehbare Reparaturerfolg eher gering sein dürfte, scheint ein Ablehnen der Reparatur angeraten. Gleiches gilt für Reparaturen, die zwar fürs erste glücken dürften, aber wo es schon absehbar ist, dass in Kürze erneut repariert werden müsste. Werden manche Reparaturen während der Veranstaltung nicht abgeschlossen oder konnten aus Zeitgründen nicht unternommen werden, können die Gäste auf den nächsten Termin oder die Termine benachbarter Repair-Cafés verwiesen werden. Das Einbehalten der Geräte und eigenständige Weiterreparieren oder gar das Unternehmen von Hausbesuchen übersteigt nicht nur das Engagement der Ehrenamtlichen, sondern kann auch haftungsrelevante Konsequenzen mit sich bringen.
Um sich bewusst von professionellen Reparaturbetrieben abzugrenzen, hebt man am besten die Idee des Selbsthilfekonzepts hervor und zeigt auf, welche Arten von Reparaturen im ehrenamtlichen Kontext repariert werden. Auch wenn der Selbsthilfegedanken gerade bei gefahrenträchtigen Elektroreparaturen nicht immer umzusetzen ist und hier zum Schutz der HelferInnen und der Gäste eine Grenze beim Mitmachen gezogen wird, so kann zumindest der Dialog mit den BesucherInnen darüber für Aufklärung sorgen oder Hinweise geben zu verantwortungsbewusstem Einkaufen.  
Gebrauchte Gegenstände zu erwerben oder alte Hüte aus dem Keller/vom Sperrmüll zu reaktivieren, ist zwar grundsätzlich eine gute Sache – diese aber dann für lau im Repair-Café richten zu lassen (um sie im am Ende sogar noch weiterverkaufen zu können), nutzt den Einsatz der Ehrenamtlichen aus. Wer wiederkehrende Gäste mit solchen Kuriositäten bemerkt, kann diese gezielt darauf ansprechen, die Reparaturen ablehnen oder auch verstärkt zur Selbsthilfe bewegen.
Vor allem die personellen und zeitlichen Rahmenbedingungen setzen den Projekten Grenzen und es will gut überlegt sein, ob man weitere Angebote/Sonderaktionen durchführen möchte und kann und trotzdem eine entspannte und freudebringende Atmosphäre erhalten bleibt. 

 

Brainstormen zu Orgafragen

Zum Abschluss des Tages entwickelten und diskutierten die TeilnehmerInnen in Kleingruppen verschiedene Strategien zu organisatorischen Fragen:

1. Wie können wir neue Mitwirkende finden?

  • sehr wichtig: Pressearbeit, lokale Medien (auch Radio, TV) , Amts-/Mitteilungsblätter
  • persönliche Ansprache im privaten Umfeld oft zielführend
  • direktes Ansprechen der Gäste während der Reparaturveranstaltung
  • Internetseite, Facebook
  • Flyer
  • direkt andere Vereine ansprechen
  • Ehrenamtsbörse der Stadt
  • Rentnertreff, Seniorenverein
  • Aushänge in öffentlichen Einrichtungen (Rathaus, Schulen, Bibliothek,…)
  • Vorstellen des Projekts in Schulen, Hochschulen, sozialen Einrichtungen,…

 

2. Wie können wir die Aktiven zu kontinuierlicher Beteiligung motivieren?

  • gemeinsame Aktivitäten jenseits des Reparierens: Sommerfest, Ausflug, Quartalstreffen,…
  • Lob und Danke nicht vergessen! Wertschätzung, Erfolgsgeschichten kommunizieren; Lob der Gäste weitergeben
  • Aufwandsentschädigung, Werkzeuge aus Spendentopf finanzieren
  • Verköstigung während des Reparierens
  • regelmäßig mit Informationen versorgen
  • Kritik der Aktiven aufnehmen und darauf eingehen
  • Möglichkeiten schaffen, mitzugestalten und Verantwortung zu übernehmen
  • Eigeninitiative fördern
  • Basisdemokratische Entscheidungsfindung: Jede Meinung ist wichtig

 

3. Wie gelingt es, neue Mitglieder gut zu integrieren?

  • Machen lassen, nichts verbieten
  • In alle Kommunikation und Aktivitäten einbeziehen
  • Vorstellen der Gruppe
  • Einweisen durch jemanden mit mehr Erfahrung, der diese Aufgabe immer übernimmt und so die Mittelsperson zwischen Neulingen und Team ist
  • Tandems bilden aus Neuen und erfahrenen ReparateurInnen; Betreuung bei „Misserfolgen“
  • regelmäßiger Austausch auch beim Reparieren
  • Nachfragen, wo Interessen und Fähigkeiten liegen; „freie Wahl“ der Reparaturen ermöglichen, kein „Du musst!“, Offenheit und Freiwilligkeit
  • Eigeninitiative aufgreifen und mitgestalten lassen

 

4. Welche Institutionen eigenen sich gut als Kooperationspartner – warum und wozu?

  • Partnerschaften: Stadt/Kommune, Kirche, Rentnertreffs, Seniorenwohnheime, Tauschring, Foodsharing, Asylkreise, VHS, Gemeindehäuser, Abfallwirtschaftsbetriebe, Uni/FH, BUND, Umweltschutzverbände, Baumarkt, Stadtwerke, lokale Banken, Schulen
  • Räumlichkeiten, Finanzierung, Versicherung, Kommunikation, Hintergrund

 

5. Mit welchen neuen Formaten bzw. zu welchen Anlässen können wir die Idee des gemeinsamen Reparierens verbreiten?

  • Workshops mit SchülerInnen/Jugendlichen: Upcycling, Projekttage,… oft unter der Woche, kann schwierig für Ehrenamtliche sein
  • Reparieren im Einkaufszentrum
  • Fahrradcheck (ADFC)
  • Stadtteilfest/Stadtfest: eher Showreparieren, und persönliche Gespräche mit Neugierigen
  • Beteiligung an Recycling-Aktionen anderer Organisationen
  • Neubürgerempfang der Gemeinde
  • Parteien/Gemeinderäte/Fraktionen?
  • Repair-Night
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